„Die Schärfe der Konkretion“. Kurzrezension in der Analyse & Kritik:
Reinhard Strecker ist vielen bis heute kein Begriff, obwohl er als einer der Pioniere der bundesdeutschen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus gelten kann. Bereits Ende der 1950er Jahre begann auf Initiative des damaligen Sprachwissenschaftsstudenten an der Freien Universität Berlin eine kleine Gruppe aus dem Umfeld des SDS damit, Materialien über NS-Täter zu sammeln. Sie recherchierte Dokumente zu Unrechtsurteilen aus der NS-Zeit, die mitsamt den Namen der verantwortlichen Richter und Staatsanwälte öffentlich gemacht wurden. Daraus entstand die Ausstellung »Ungesühnte Nazijustiz«. Für die Verjährungsdebatten im Bundestag und die Gründung der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen hat sie wesentliche Impulse gegeben. Gottfried Oy und Christoph Schneider widmen sich dieser frühen Phase der Auseinandersetzung mit dem NS. Ein Auszug aus einem Gespräch, das sie mit Strecker geführt haben, bildet den Kern ihres Buches. Es folgen je ein Essay zum Verhältnis der Neuen Linken zum Nationalsozialismus und zum Kontext der »Aufarbeitung« in der Bundesrepublik. Die Autoren wählen den aufwändigen und erkenntnisreichen Weg der Konkretion gehen. Sie zeigen damit, dass es möglich ist, sich jenseits von 68er-Bashing und der Reproduktion des Mythos der über den NS aufklärenden Generation den tatsächlichen Formen der Auseinandersetzung zu nähern.
Gottfried Oy, Christoph Schneider: Die Schärfe der Konkretion. Reinhard Strecker, 1968 und der Nationalsozialismus in der bundesdeutschen Historiografie. Westfälisches Dampfboot, Münster 2013, 252 Seiten, 24,90 EUR.