Artikel in der Jungle World vom 23. Januar 2014:
Am 24. Januar versammeln sich in Wien rechte Populisten und Neonazis zum Akademikerball.
von Johannes Spohr
Schon vor dem Beginn des diesjährigen Akademikerballs, wie der Ball des Wiener Korporationsrings (WKR) nun genannt wird, geht es in Wien heiß her. Der Kurier berichtete von einer Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft Freiheitlicher Akademikerverbände, in der es heißt: »Die Straße frei den linken Bataillonen« – angelehnt an das Horst-Wessel-Lied (»Die Straße frei den braunen Bataillonen«). Die Korporierten wollen die gegen den Ball Demonstrierenden so als heutige SA darstellen.
Heinz-Christian Strache, Bundesparteiobmann der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), der die Teilnehmenden des Balls 2012 als »neue Juden« bezeichnete, ist nach einem Jahr Pause zurück auf der Teilnehmerliste. Er fühlt sich Medienberichten zufolge durch ein Video des Rappers Lev Bro bedroht, in dem es heißt: »Machen wir die City platt. Hände hoch, Strache, deine Uhr tick-tack. Raus aus der Hofburg mit dem Nazipack. Mit ’ner AK-47 rein ins Gefecht, no WKR, Offensive gegen rechts.« Empört zeigte sich Strache über Kritik am WKR-Ball, die in diesem Jahr unter anderem von sechs KZ-Überlebenden vorgebracht wurde. Schließlich handele es sich um ein »rein kulturelles Event«. Doch der Ball ist keine unpolitische Tanzveranstaltung. »Der WKR-Ball ist nicht einfach nur Ausdruck einer unappetitlichen Gesinnung und Kultur, sondern Teil einer reaktionären, rechten Offensive angesichts der Krise«, heißt es im Aufruf zu Protesten des Bündnisses »Ums Ganze!«.
Politische Brisanz hat das rechte meet and greet in diesem Jahr vor allem im Hinblick auf die bevorstehende Wahl zum Europaparlament. Um Angehörige rechter Parteien zusammenzubringen, eignet sich Wien nicht zuletzt geographisch. Die FPÖ lud nach Angaben des No-WKR-Bündnisses erst vor kurzem zu einem Treffen, bei dem unter anderem der Vlaams Belang aus Belgien, die Lega Nord aus Italien, die Schwedendemokraten, die dänische Volkspartei und die slowakische Nationalpartei (SNS) anwesend waren. War man bei der Auswahl zu diesem Anlass mit Rücksicht auf die anstehende Wahl bemüht, sich moderat und anschlussfähig zu geben, wird beim Festakt in der Wiener Hofburg auch die Anwesenheit von Mitgliedern der NPD und der ungarischen Partei Jobbik erwartet.
Allerdings betont eine Sprecherin des No-WKR-Bündnisses im Gespräch mit der Jungle World, die Veranstaltung habe nicht nur an Bedeutung, sondern auch an Repräsentationscharakter für die extreme Rechte verloren. Dies sei nicht zuletzt an der sinkenden Zahl der Besucherinnen und Besucher abzulesen: »Während vor dem Beginn der autonomen Proteste noch bis zu 3 000 Gäste den Ball besuchten, waren es letztes Jahr lediglich 700.« Aus dem internen Protokoll eines Treffens mehrerer Burschenschaften, das von Anonymous Austria dem Bündnis zugespielt worden sei, gehe hervor, dass der Kartenvorverkauf sehr schleppend verlaufe. Die Tageszeitung Heute berichtete dies ebenso, was auf erhebliche interne Probleme der Organisatoren hinweist.
Zu Gegenprotesten werden in diesem Jahr erneut Tausende erwartet. Von den Wiener Grünen und der Sozialistischen Jugend, der Israelitischen Kultusgemeinde und der Initiative Liberaler Muslime Österreichs bis hin zur autonomen Linken um das No-WKR-Bündnis rufen Dutzende Organisationen zu Blockaden, Protesten und Aktionen auf. Seit 2012 beteiligen sich Mitglieder etablierter Parteien und Organisationen stärker an Protesten gegen den Ball (Jungle World 6/2012). Im vergangenen Jahr fand er ausgerechnet am 27. Januar statt, dem Jahrestag der Befreiung von Auschwitz. Inzwischen nimmt auch in der sehr konservativ geprägten Presse Österreichs, wie auch international, die Kritik zu.
Die Rückschläge, die der Ball zu verzeichnen hat, führt das No-WKR-Bündnis in erster Linie auf die Proteste und die damit verbundene Skandalisierung zurück. Dieses Jahr werde man dem Ball den »Todesstoß« versetzen. Allerdings seien diese Aktionen nicht von einer radikalen Gesellschaftskritik zu trennen, der Akademikerball sei bestenfalls ein besonders farbenfrohes und anschauliches Beispiel kapitalistischen Normalvollzugs.