Artikel in der Jungle World vom 30.1.2014:
Raucherecke von Johannes Spohr
»Man darf nicht vergessen, was in Hamburg passiert ist«, lautet die Gefahreneinschätzung von Polizeisprecher Roman Hahslinger für die Sperrzone rund um die Wiener Hofburg. Dort findet unter Polizeischutz alljährlich der »Akademikerball« statt, zu dem Burschenschaften Rechte aus ganz Europa einladen. Der ohnehin etablierte Pickelhaubenjournalismus wurde sicherheitshalber verordnet und so dürfen Journalisten die überdimensionierte Wasserwerferrangierzone, auf die sogar Hamburgs Polizei neidisch sein dürfte, eine halbe Stunde lang unter Aufsicht betrachten. Freilich nicht, ohne sich vorher von Hahslingers behelmten Kollegen schubsen und anpöbeln zu lassen. Eintreffende Ballgäste schwanken sichtbar zwischen Wut über den Protest und gezwungener Feierlaune. Außerhalb der für die Rechtspopulisten eingerichteten Schutzzone müssen derweil die Teilnehmer verschiedener Gegendemos ihren Umgang mit den weitreichenden polizeilichen Maßnahmen finden. Das Vermummungsverbot ist in der Stadt und auf Facebook längst zum Running Gag avanciert, die Hamburger Klobürste zum verbreiteten Symbol und Demotool geworden. Einige der Zufahrten zur Sperrzone werden von manchen der 6 000 Gegner blockiert, den Gästen wird die Ankunft erschwert. In die Geisterstadt um die Hofburg, die an diesem Freitag von nicht mehr als 400 selbsternannten »Leistungsträgern« besucht wird, dringt jedoch kaum jemand vor. Wo die Heldentat auf dem Heldenplatz nicht machbar erscheint, nehmen sich autonome Gegner ein paar Schaufensterscheiben und Polizeiautos und ein Revier der Ballhüter vor. So werden der eigene Ruf und die entsprechenden Pressebilder gerettet. »Nimm ein Sackerl für dein Kapperl«, heißt es auf einem Transparent. Diejenigen Korporierten, die sich davon nicht inspirieren lassen, dürften im kommenden Jahr mit einem Hinterzimmer einer Eckkneipe auskommen und auch in Wien könnte so das höchste Gut wiederkehren – Ruhe.