Pegida, NSU, rassistische Mobilisierungen gegen Flüchtlingsunterkünfte, staatliche Flüchtling- und Asylpolitik, der Mord an Khaled Bahray in Dresden. Es mangelt nicht an aktuellen Bezugspunkten, die sich mit dem Gedenken an den Brandanschlag vom 18. Januar 1996 in Lübeck verbinden lassen. Etwa 4500 Menschen unterschiedlicher politischer Spektren gingen daher am Samstag unter dem Motto „refugees welcome“ dort auf die Straße. Unter den Teilnehmenden und Sprechenden sind auch diverse Geflüchtete, Reden werden auf verschiedenen Sprachen gehalten.
Im Kontext bundesweiter Mobilisierung rassistischer Gruppen wie auch antirassistischen Protests bot die Lübecker Demonstration an diesem Tag Raum für verschiedene Anliegen: eine für örtliche Verhältnisse breite Solidarisierung mit Geflüchteten, der Thematisierung von Fluchtrealitäten, wie auch politische Profilierung verantwortlicher Parteien, vor allem der SPD. Mit zunehmender zeitlicher Distanz zum Januar 1996 und dem Mobilisierungserfolg im Rücken wird in Lübeck scheinbar Erfolgsgeschichte geschrieben. Fürchtete der Präsident der Lübecker Industrie und Handelskammer (IHK) nach dem Brandanschlag noch, Lübeck werde nun „nicht mehr mit Holstentor und Marzipan in Verbindung gebracht, sondern mit Brandanschlägen“, muss sich nun wohl kaum jemand noch um das Ansehen der Stadt Sorgen machen. Zu hoffen bleibt auf breite, alltägliche antirassistische Praxen, die häufig und unweigerlich von weniger Harmonie geprägt sind als die heutige Demonstration.
Am Sonntag kamen erneut etwa 150 Menschen zum neu gestateten Mahnmal an der Hafenstraße, zum Ort, an dem im Januar 1996 zehn Menschen starben und 38 teils schwer verletzt wurden.
An eine Aufarbeitung der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die sich gegen die Opfer selber wendeten, wie auch eine Wiederaufnahme der Ermittlung gegen tatverdächtige Grevesmühler Neonazis scheint kaum noch jemand zu glauben. Kaum verblassen dürfte somit das Zeichen an die Täter: in Aussicht gestellte Straflosigkeit.
Zur Website: Hafenstraße96. Nichts und niemand ist vergessen.