Miklós Klaus Rózsa und Wolfgang Seibert sprechen über den Wandel ihrer Positionen zu Zionismus, Antisemitismus und Israel.
Vorabdruck aus »Verheerende Bilanz: Der Antisemitismus der Linken« in der Jungle World vom 14. April 2017.
Klaus Rózsa, Jahrgang 1954, und Wolfgang Seibert, Jahrgang 1947, vereint eine aktivistische, linksradikale und jüdische Biografie, die immer wieder von Zweifeln an und Brüchen mit der Linken geprägt war und ist. Ihre vehemente Kritik an einst selbst unterstützten Positionen militanter, antiimperialistischer und antizionistischer Zusammenhänge haben sie in ihren heutigen Aktivismus integriert.
Auf der Grundlage von Veranstaltungen, Interviews und Gesprächen entstand eine Textmontage, die eine Vielzahl von Themen und zugehörigen Geschichten beinhaltet. Kontextualisiert und ergänzt durch einen einleitenden Essay werden beispielhafte wie anschauliche Einblicke in Genese und Kritik dichotomer Weltbilder wie das des Antiimperialismus geliefert.
Aus dem Vorwort:
»Die im Zuge der Veranstaltungen gesammelten und in Form des vorliegenden Buches festgehaltenen biografischen und subjektiven Erfahrungen liefern in ihrer Summe eine Schärfe durch Konkretion. Im Zugang zu politischen Themen über Biografien liegt potenziell immer eine gewisse Sprengkraft, da sie anschaulich wirkt und Inhalte durch Beispiele erfahrbarer macht. Es bedarf keiner Hierarchisierung unterschiedlicher Zugänge und Herangehensweisen, aber biografische Geschichten bieten eine Bebilderung und Veranschaulichung (auch der Theorie), die rein akademisch-theoretische Texte oft vermissen lassen. Der Einfluss des eigenen biografischen Hintergrunds und der zugehörigen Erfahrungen auf das eigene Handeln – und damit auch die Theoriebildung – wird allzu oft vernachlässigt. Es lassen sich hier weniger Antworten oder gar Anleitungen zum richtigen Handeln entdecken, sondern vielmehr aufschlussreiche Widersprüche, in deren Aufzeigen die eigentliche Erkenntnis liegt.«
Aufzeichnungen und Gespräche (2014–2017)
Jugend und Politisierung
Wolfgang:Ich bin bei meinen Großeltern großgeworden, denn als ich geboren wurde, studierte mein Vater, und meine Mutter musste arbeiten, um ihm dies zu ermöglichen. Geboren wurde ich 1947 in einem sogenannten DP-Camp1 für Leute, die aus den KZs kamen. Mein Vater kommt aus Deutschland, meine Mutter aus der Ukraine, sie ist während des Zweiten Weltkrieges zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt worden. Meine Großeltern sind beide Auschwitz-Überlebende. Nach dem Krieg lebten sie in Frankfurt am Main. Ich bin bei ihnen sehr offen und frei erzogen worden, denn sie waren fromme Juden und Anarchisten zugleich. Das ist absolut kein Gegensatz, sondern im Jüdischen relativ leicht zu begründen. Wenn man’s will, gibt es diese beiden Grundsätze, Tsedaka und Tikkun Olam (Gerechtigkeit und Verbesserung der Welt). Wie man diese beiden Begriffe ausfüllt, ist natürlich Interpretationssache. Meine Großeltern haben es jedenfalls auf ihre Art und Weise ausgefüllt und es so auch an mich weitergegeben. Mein Widerspruchsgeist, der sich Gott sei dank immer noch zeigt, ist sehr gefördert worden in der Familie. Die ersten Lieder, die ich auswendig gelernt hab’, waren Lieder aus dem spanischen Bürgerkrieg. Die hab’ ich als Kind in der Schule auch vorgesungen, das gab natürlich Konsequenzen. Der Lehrer hat uns eben gefragt, „Was könnt ihr singen?“, und dann hab’ ich gesungen. Ich fand das schön. Als ich vor einigen Jahren den Haushalt meiner Großmutter auflöste, habe ich die Mitgliedskarte meines Großvaters von der CNT2 gefunden, und auch noch diese komischen Nadeln, die die irgendwo hatten, und ein schwarz-rotes Halstuch. Fast ein Heiligtum bei mir zu Hause.
Politisch aktiv geworden bin ich im Zusammenhang mit dem Auschwitzprozess, der 1963 in Frankfurt begann. Mein Onkel war damals Generalstaatsanwalt in Hessen,3 die Staatsanwaltschaft war Hauptankläger im Auschwitzprozess. 1963 bin ich von ihm gefragt worden, ob ich mich in der Lage fühle, Zeugen zu begleiten; nicht zu betreuen, sondern zu begleiten, ihnen auch mal Frankfurt zu zeigen und Ähnliches. Das hab’ ich gemacht, und es war emotional ziemlich schwierig. An der Geschichte hab’ ich bis heute noch zu knabbern. Daraus hab’ ich dann für mich die Konsequenz gezogen, und gesagt, „Damit sowas nicht wieder geschehen kann, musst du politisch irgendwas tun, musst du dich engagieren.“ Das hab’ ich dann auch gemacht, ich war im Unabhängigen Sozialistischen Schülerbund.4 Aber die politischen Aktivitäten hatten sich schnell erschöpft. In unserer Schule wurde morgens früh immer ein Choral gespielt über Mikrophon, über Lautsprecheranlage. Das haben wir mal ausgetauscht, so dass die Internationale kam, das war dann die ganze revolutionäre Aktivität zu der Zeit. In der Schule war ich eigentlich der Seite zugeneigt, die eher unorganisiert war. Das hat sich geändert, als ich anfing zu studieren und in Kontakt mit dem SDS5 kam.
Während des Studiums war ich völlig begeistert von Marx, Engels, Lenin, auch von Stalin damals. Ich wurde Teil des SDS. Da gehörte ich zu dem, was man ‚spontaneistische Fraktion‘nannte. Der SDS spaltete sich schon ’68 oder ’69. Damals war ich in Bonn. Ich hab’ immer gesagt, es gab da zwei Fraktionen: Eine Fraktion, die in der Ecke saß und heftigst theoretisch diskutiert hat. Und die andere Fraktion, die in der anderen Ecke gesessen, Joints geraucht und Cream6gehört hat. Ich hab’ zu der zweiten gehört. Dann hab’ ich meine Richtung allerdings völlig gewechselt, weil ich die Genossen, die die DKP aufbauen wollten, so toll fand. 1968 ist die DKP7 gegründet worden, da gehörte ich zu den Mitaufrufern. Wahrscheinlich in Opposition zu meinen Großeltern, weil ich doch ein bisschen anders sein wollte. Ich hab’ dann länger gebraucht, um zu kapieren, dass es doch besser ist, so wie sie zu sein.
Klaus:Wie wurde ich politisiert? Da muss man, glaube ich, schon in der Kindheit anfangen. Es ist ja so, dass ich in Ungarn geboren bin. Meine Mutter ist während des Zweiten Weltkrieges als junge Jugendliche dort gewesen, in einer anderen Familie. Diese Familie hat sich versteckt in einer Wohnung, respektive unter der Wohnung im Keller. Und die Leute, die in der Wohnung wohnten, haben sie also versteckt und beschützt. Jemand aus der Nachbarschaft hat die Familie dann verraten bei den ungarischen Nazis, den Pfeilkreuzlern. Die haben dann ’nen Anschlag auf den Keller der Wohnung gemacht, haben eine Handgranate da runter geschmissen, und drei Geschwister der insgesamt sechs Geschwister meiner Mutter sind bei diesem Anschlag ums Leben gekommen. Und sie hat überlebt, weil die Leichen ihrer Geschwister auf ihr gelegen haben.
Sie selber wurde schwer verletzt, ist dann im Geheimen in ein Spital gefahren worden, wo sie ebenfalls in einem Keller im Geheimen von einem Arzt illegaler Weise versorgt worden ist, der ihr also das Leben gerettet hat. Ihre drei Brüder wurden eines Nachts in dem Hof dieses Hauses begraben. Ein Onkel von mir, einer der Brüder meiner Mutter, hat mir vor drei Jahren in Budapest so einen Beutel herausgesucht. In dem Beutel waren Haare der drei Geschwister aufbewahrt, die hat er mir übergeben.
Nach dem Krieg haben sich mein Vater und meine Mutter kennengelernt, wieder in Budapest bei einer 1.-Mai-Demo und kurz darauf ist meine Schwester zur Welt gekommen, wenig später ich. Und, ja, 1956 war dieser Ungarn-Aufstand8, sowas wie ’ne Revolution und Konterrevolution in einem. Nicht einmal zehn Jahre später wurde unsere Wohnung also wieder ausgebombt und da haben meine Eltern gesagt, „Nein, nicht schon wieder“, haben sich mit den beiden Kindern, meiner Schwester und mir, dem Flüchtlingsstrom angeschlossen und sind also über Wien in die vermeintlich schöne Schweiz geflüchtet. Wir wurden dann erstmal auf dem Land in der Innenschweiz, in dem kleinen Dorf Immensee untergebracht. Immensee wurde ausgesucht für uns, weil mein Vater Portefeuiller war, also Hersteller feiner Lederwaren, und in Immensee gab es eine Fabrik, die Kalender hergestellt hat, da brauchten sie noch Leute, die buchbinderisch arbeiteten. Das Besondere an diesem Immensee ist, dass es dort ein sehr großes Kloster gibt, und das ist ein Missionskloster, da werden Missionare ausgebildet. Dementsprechend war das dort alles sehr katholisch und wir erhielten so zweimal die Woche Besuch vom Pfarrer, der uns jeweils daran erinnert hat, dass er unsere Familie noch nie in der Messe gesehen hat, und fragte, wann wohl der Sohn getauft wird. In der Überzeugung, dass wir aus dem Kommunismus geflohen sind, weil dort die Christen verfolgt werden. Zu dieser Taufe ist es dann gekommen, ich bin also katholisch getauft worden in der Dorfkirche und zwei Wochen später beschnitten. Meine Eltern waren eben keine Helden, vor allem mein Vater mit seiner Vergangenheit und seiner Biografie, verständlicherweise. Er wollte einfach keine Konflikte heraufbeschwören. Viel eher war es dann so, dass wir immer wieder geflüchtet sind, dann halt in eine andere Stadt, und dann nochmal in ein anderes Dorf und nochmal in eine andere Stadt, bis wir schließlich in Zürich gelandet sind. Bezüglich der Religion war die Familie weiterhin von Zerrissenheit geprägt: Wellenförmig waren wir mal jüdisch, mal katholisch, dann wieder gar nicht religiös. Manchmal hatten wir ’nen Christbaum, dann gab’s wieder zwei Jahre lang gar kein Weihnachten, dann irgendeinen jüdischen Feiertag, den wir feierten. Grundsätzlich waren meine Eltern eher atheistisch eingestellt als jüdisch oder katholisch in dem Sinne. Das einzig Positive daran war, dass ich dann, als ich in die Schule gegangen bin, nicht am Religionsunterricht teilnehmen musste, das fand ich eigentlich ganz toll. Und, ja, dann entschlossen sich meine Eltern, mich in die jüdische Gemeinde zu schicken, in die Schule, in der man hebräisch lernt, mit Religionsunterricht und so weiter. Da bin ich genau einen Tag lang gewesen. Dieser Tag nahm ein sehr abruptes Ende, als ich zum Rabbi gesagt habe, „Wo war Gott, als unsere Schulkameraden beim Skifahren von der Lawine getroffen wurden und ums Leben gekommen sind?“ Das fand der dann so unerhört, dass er mir eine Ohrfeige gegeben hat. Ich bin dann sofort nach Hause, heulend, hab’ das erzählt, meine Eltern wollten es nicht glauben – ein Rabbiner schlägt keine Kinder. Wenig später stand der Rabbiner schon vor der Türe und wollte sich entschuldigen und ich sollte unbedingt wiederkommen. Ich hab’ gesagt, „Nie wieder geh ich da hin.“ So war mein Judentum schon wieder so ein bisschen in den Hintergrund geraten.
Irgendwann hab’ ich genug gehabt von dieser Schule, irgendwie passte mir das nicht, und als knapp 16-Jähriger hab’ ich meine Eltern davon überzeugt, dass ich wieder zurück möchte in die Schweiz. Und da besuchte ich dann ein normales privates Gymnasium halt. Da hatten wir eine tolle und ganz nette Deutschlehrerin, die hat uns mitgenommen in ein Theater, da wurde irgendein Stück aufgeführt, welches war nicht so wichtig. Wichtiger war, dass die Lehrerin uns danach noch in eine Kneipe eingeladen hat, um das Stück zu diskutieren. Und wir durften ein Bier trinken. Bei mir wurden das dann irgendwie fünf oder sechs Bier, ich war jedenfalls stinkbesoffen, als das fertig war. Das hat die Lehrerin festgestellt und mir 20 Franken in die Hand gedrückt, ich soll ein Taxi nehmen und mich mit dem Taxi nach Hause fahren lassen. Sicher ist sicher! Ich dachte natürlich überhaupt nicht daran, das Geld für ein Taxi auszugeben, sondern bin in eine weitere Kneipe gezogen und hab’ da halt noch ein paar Bier getrunken, bis die Kneipe zu gemacht hat. Und da sagte mir ein Mitsäufer, „Naja, du weißt ja auch nicht, wo schlafen heute Nacht.“ Hab’ ich gesagt, „Nee, keine Ahnung“. Es war eigentlich klar, dass ich zuhause wohnte bei meinen Eltern. Aber okay, ich hab’ gesagt, „Gut, dann gehen wir ins AJZ, ins Autonome Jugendzentrum (‚Bunker‘)“, das es damals gab in Zürich, das war in einem typisch schweizerischem Luftschutzkeller untergebracht. Heute ist dort übrigens eine Tiefgarage. In dem Luftschutzkeller schlief ich dann ziemlich schnell ein, nicht ohne vorher noch der Meinung zu sein, dass ich zum ersten Mal Haschisch ausprobiert hätte. Das war aber nicht Haschisch, das waren Räucherstäbchen. Auf jeden Fall, am nächsten Morgen, als ich aufgestanden war, war es natürlich viel zu spät, um in die Schule zu gehen, mittlerweile gab es schon ’ne ziemliche Aufregung, die Lehrerin hat da irgendwas Schlimmes geahnt und meine Eltern angerufen, die haben gesagt, ich bin nicht nach Hause gekommen die Nacht. Und ich hatte dann auch nicht mehr vor, nach Hause zu gehen, weil dieses AJZ in diesem Luftschutzbunker, das war der erste Ort in meinem Leben, wo ich mich wohl gefühlt hab’. Also mit allen Hippies, mit allen Kiffern und mit allem Durcheinander, mit dem Chaos fühlte ich mich irrsinnig wohl. Zwischendurch wurde ich schon zur Fahndung ausgeschrieben. Dann hab’ ich meine Eltern angerufen, dass ich nicht mehr nach Hause komme, damit sie beruhigt sind, dass mir nichts passiert ist, und hab’ dann quasi die nächsten zwei Wochen tatsächlich mehr oder weniger dort gelebt. Also ich bin dann schon nach Hause gegangen, Kleider wechseln und baden und so – aber eigentlich war ich mehr oder weniger in diesem AJZ anzutreffen. Zur Schule ging ich nicht mehr. Ich hab’ dann gefunden, ich sei ein Hippie, lief auch herum wie ein Hippie, schöne lange Haare, Bart, Pelzmantel und so. Und zwei Wochen später war die Herrlichkeit vorbei, weil die Polizei das AJZ geschlossen hat. Auf Befehl der Züricher Regierung, mit einem Riesenaufgebot, Räumung, alles raus. Und am Abend gab es dann eine Demonstration gegen die Schließung des AJZ, das war meine erste Demo. Da wurde ich schon mal gründlich verkloppt. Und seitdem liebe ich die Polizei und die Polizei liebt mich. So ist also eine sehr lang dauernde Beziehung entstanden.
Meine Politisierung lief also zunächst über Repression, über den Kampf für autonome Räume, für Freiräume, das war dann mein Inhalt. Weil ich mich fragte, „Wieso wird der erste Raum, wo ich mich wohl fühle, wo ich mich zuhause fühle, wieso wird der mir weggenommen?“ Wir haben ja eigentlich nichts Schlimmes gemacht. Gut, dann gab’s Veranstaltungen, es ging eigentlich immer um das gleiche Thema, Freiräume, autonome Räume, Forderung nach einem autonomen Jugendzentrum, später Forderung nach bezahlbarem Wohnraum. Und immer wieder die Konfrontation mit der Staatsmacht, die extrem, völlig absurd eingefahren ist in der Schweiz. Das weiß man in Deutschland nicht – ich weiß –, aber es ist so. Bald darauf nahm ich auch an ersten Anti-AKW-Demos teil, zum Beispiel zur Baustelle des AKW Gösgen in der Schweiz, wo wir einen Platz besetzten. Ein Infopavillon des AKW flog damals in die Luft.
Das war natürlich nicht alles, was Politisierung anbelangt, das ging natürlich weiter, fast zwangsläufig, wir sprechen ja von der ersten Hälfte der ’70er Jahre. Also da kam natürlich hinzu das faschistische Spanien, die Franco-Diktatur, dann die griechische Diktatur, und ’73 natürlich der Putsch in Chile; und der Vietnamkrieg nicht zu vergessen. Also das waren so geballte Erlebnisse, einerseits das Auseinandersetzen mit dem Faschismus – als ‚noch existierender Faschismus‘ würde ich das bezeichnen – in Griechenland und Spanien, dann ein faschistischer Putsch in Chile, und dann der alles überschattende Vietnamkrieg. Das waren natürlich schon Dinge, die wir diskutierten und wo wir auch Aktionen gemacht und uns mobilisiert haben dagegen.
Zweifel und Brüche
Wolfgang:Die ganze Geschichte mit dem Zweifeln ging bei mir so ein, zwei, drei Jahre nach dem Sechstagekrieg 1967 los, als sich die Position der Linken zu Israel völlig gewandelt hat. Vorher gab’s ja eine sehr große Unterstützung der Linken für Israel. Israel war sowas wie der Vorbild-Staat für viele Linke, durch die Kibbuz-Bewegung und Ähnliches. Und nach 1967 war das plötzlich ganz anders. Da war Israel der böse Aggressor, es war der ‚Vorposten des amerikanischen Imperialismus‘. Der liebe, nette Staat, der die tollen Kibbuzim hatte, die nach freiheitlichen Prinzipien funktionierten, wo es kein Privateigentum gab, das war plötzlich alles vergessen, das war alles weg. Ulrike Meinhof hat zum Beispiel kurze Zeit vor dem Sechstagekrieg einen Artikel geschrieben, der Israel hochgelobt hat und ein paar Tage nach dem Sechstagekrieg hat sie ’nen anderen Artikel geschrieben. Ich weiß nicht, wie man so schnell umdenken kann, das ist für mich unverständlich. Israel war nun nur noch der böse Staat, der es doch tatsächlich gewagt hat, an Macht zu gewinnen. Ich kann’s nur so zynisch betrachten. Und was auffällig neu war, auch für die Linke: Juden wehren sich, und sie wehren sich richtig, und sie gewinnen. Das ist etwas, was vorher nicht da war und was völlig unerklärlich war und ist. Was fremd ist, das lehnt man erstmal ab. Eine einfache Erklärung, aber ich hab’ keine andere. Ich hab’s nie richtig verstanden. Beziehungsweise: Damals hab’ ich’s schon verstanden, weil ich Israel für ’nen imperialistischen Staat hielt, aber je mehr ich drüber nachdenke, umso weniger verstehe ich’s. Es ist schwer, das zu definieren. Er kam ja auch so plötzlich, dieser Bruch, ohne große Ankündigung.
Auch ich war zunächst der Meinung, dass diese Politik Israels fürchterlich ist, dass da eine Besitznahme von fremdem Eigentum dazu gehört, und dass man die PLO, weil es ja eine Befreiungsbewegung ist, unbedingt unterstützen muss. Hinterfragt hab’ ich diese Position in dem Moment, in dem ich gemerkt hab’, dass nicht nur unsere Leute in den Ausbildungscamps der PLO waren, sondern auch die Frankfurter Nazikader, und zwar in den gleichen. Das war für mich schon mal irgendwie ein Ding. Und dann bin ich irgendwann mal drauf gekommen, „Verdammt noch mal, was unterstützt du da eigentlich? Eine Organisation, die homophob ist, die frauenfeindlich ist, und die – wir haben früher gesagt – ‚klerikal-faschistisch‘ ist. Und das war für mich ein Bruch, das konnte ich nicht mehr mittragen.
Freundschaften
Klaus:In der Haltung zu Israel sehr radikal zu sein, war für mich nochmal so ein Kick. Das hat mich viele Freundschaften gekostet, in den letzten 10 bis 15 Jahren, ich hab’ mich von einigen Genossinnen und Genossen auch distanziert, und dafür viele neue Freunde gewonnen, also ich lebe eigentlich ganz gut damit. Und im Nachhinein sind mir dann schon einige Leute in den Sinn gekommen, die ich einfach ignoriert hatte.
Da war zum Beispiel dieser Walti. Mit dem war ich gut befreundet, wir sind zusammen von Demo zu Demo gezogen. Er hatte einen VW Käfer, ich hatte damals noch kein Auto, und so sind wir in der Schweiz rumgefahren zu jeder Demo und haben immer viel darüber gesprochen auf den langen Fahrten, waren uns einig, um was es eigentlich geht , haben den Tag vorbereitet. Das war eigentlich ’ne ziemlich enge Freundschaft. Walter ist vier Jahre älter als ich. Damals war das viel. Je jünger man ist, desto größer sind natürlich ein paar Jahre Unterschied. Walti hatte die Angewohnheit, immer wieder irgendwelche Witze zu machen, in denen Juden schlecht wegkamen. Ich hab’ das zwar nicht gut gefunden, denn wie soll ich das gut finden, wenn jemand über mich Witze macht. Aber das ahnt er ja nicht, da, weil er nicht von meiner jüdischen Herkunft weiß.
Und bei einer solchen Autofahrt hat sich der Walti darüber beschwert, geärgert, mir erzählt, wie schwierig das sei, ’ne Wohnung zu finden, jetzt müsse er wieder raus aus einer Wohnung und vorher musste er auch raus aus einer Wohnung, und er sei jetzt wieder auf der Suche. Und nein, nein, der jetzige, der ihn rausgeschmissen hat, das sei halt eher ein Jude. Und das war dann zum ersten Mal, dass ich zurückgefragt hab’, „Und der vorhergehende, war der auch ein Jude?“ – „Das weiß ich doch nicht.“ – „Wieso stellst du fest, dass der jetzige Hausbesitzer, der dich rausschmeißt, ein Jude ist, aber die vorhergehenden drei, von denen weißt du nicht, welcher Religion sie angehören?“ Das war zum ersten Mal, dass ich so etwas in Frage stellte, oder dass ich mich überhaupt dazu geäußert hab’, bis dahin hab’ ich das einfach so hingenommen. Im Nachhinein ist mir aufgefallen, dass er immer solche Bemerkungen gemacht hat. Von Walti hab’ ich mich dann schlussendlich erst vor zwei, drei Jahren definitiv getrennt, als das einfach nicht aufhörte und ich ihn gewarnt und gesagt habe, „Hör auf mit solchen antisemitischen Sprüchen, sonst siehst du mich nicht wieder!“
Wolfgang:Als ich diesen Bruch vollzogen hatte, habe ich gemerkt, wie allein ich eigentlich stand. Ich hatte plötzlich keine Freunde mehr, niemanden mehr, mit dem ich sprechen konnte. Denn ich war ja ein Abtrünniger, ich war der böse zionistische Verräter. Ich hab’ so viele Leute verloren, die ich eigentlich sehr gerne mochte. Das war wirklich eine ganz schlimme Situation, Klaus hat Ähnliches erlebt. Man steht dann plötzlich ohne Zusammenhänge da. Ich hab’ dann wirklich resigniert. Ich hab’ vorhin gesagt, ich hab’ also im Ganzen die Mehrheit meiner Freunde verloren zu dieser Zeit. Wir sprachen dann mit einigen jüdischen Genossen darüber, wo es dann aber wirklich bei allen die gleiche Reaktion gab, einfach diese tiefe Resignation. Einfach ein freier Fall.
Es gab natürlich Leute, die die gleichen Positionen hatten wie ich. Aber wir haben damals den Fehler gemacht, dass wir nicht miteinander redeten, es gab kein gemeinsames Gespräch über solche Dinge. Anders als bei dir, Klaus, du hast mit den Leuten drüber gesprochen, hast ein Fazit gezogen, das haben wir nie gemacht. Wir zogen nur ein privates Fazit. Und dann gibt’s natürlich auch Leute, von denen man gar nicht will, dass man mit denen weiterhin befreundet ist. Wie gesagt, das war für mich einfach so ein Punkt, „Was hast du eigentlich noch mit dieser Linken zu tun? Die bedeutet dir doch gar nichts mehr, wenn da so Idioten das Sagen haben.“
Aktivismus: heute
Wolfgang:Für mich gab es ein wichtiges Schlüsselerlebnis im Zusammenhang mit der großen Nazidemonstration in Hamburg 2008. Wir waren als jüdische Gemeinde bei der Gegendemonstration anwesend und hatten eine Israel-Fahne dabei. Wir sind dann recht schnell von einer Gruppe Palästinensern angegriffen worden. Und da sagte einer von uns, „Mensch, da stehen die ganzen Typen vom schwarzen Block, jetzt kriegen wir Ärger.“ Und was passierte? Die Leute aus dem sogenannten schwarzen Block stellten sich um uns rum und sagten, „Lasst die Leute in ruh, sonst gibt’s mit uns Ärger!“ Und das war dann für mich wie ein Aha-Erlebnis, ich denk, „Oh da hat sich was getan. Wieso verteidigen die uns plötzlich, von denen wir uns ganz sicher waren, dass sie uns angreifen?“ Dieselben Leute, von denen ich ganz sicher überzeugt war, dass sie – meine Vorurteile – Antizionisten sind und uns deswegen angreifen, das Gegenteil war der Fall.
Ich hatte die ganzen innerlinken Auseinandersetzungen in den ganzen Jahren überhaupt nicht mitbekommen. Das war dann wieder ein Punkt für mich, zu sagen, „Okay, unter den Bedingungen kann ich wieder mal so vorsichtig was anfangen“. Dann bin ich nach dieser Geschichte vom FSK9 um ein Interview gebeten worden. Ich hab’ das Interview gemacht, das war ganz lustig: Ich durfte mir ein Musikstück wünschen und hab’ mir Keine Macht für niemand von den Scherben gewünscht. Da hat der Redakteur, der mich auch nicht gut kannte zu der Zeit, zum ersten Mal gestutzt. „Wie kommt so’n bürgerlicher Jude dazu, sich derartige Musik zu wünschen?“ Und ich ergänzte, „Wenn du’s hast, kannst du auch noch ’n bisschen Slime spielen.“ Jedenfalls hatte der Redakteur dann spontan die Idee, ich könnte doch eine jüdische politische Sendung machen auf FSK. Ich hab’ dann ein bisschen gestutzt, nachgedacht, und hab’ dann gesagt, „Ich kann’s ja mal probieren.“ Und das mach ich jetzt seit 2008 und seit der Zeit bin ich wieder sehr aktiv geworden. Ich, also auch wir als jüdische Gemeinde, das muss man dazu sagen, arbeiten sehr gut zusammen mit der autonomen Antifa bei uns, ich hab’ sehr engen und guten Kontakt zur Roten Flora, bei der Verteidigung derFlora10 ist es für mich selbstverständlich, dass ich mich daran beteilige, weil’s ’ne sehr wichtige Sache ist. Wir haben uns engagiert im Flüchtlingsbereich, in den Lampedusa11-Geschichten. Kommt noch dazu, dass ich praktisch am Rande der USP-Szene auch bin, also bei Ultra Sankt Pauli.12
Klaus:Seit einigen Jahren lebe ich an zwei Orten, in Zürich und in Budapest. Eigentlich beschloss ich 2008, die Schweiz zu verlassen und nach Ungarn zu ziehen, weil sich 2008 etwas ereignet hat, das so das berühmte Tüpfelchen auf dem i war. Da wurde also in Zürich dieses ehemalige Fußballstadion, das leer gestanden ist, von Autonomen besetzt, um dort eine Party zu machen, eine Anti-EM/WM-Party. Es kam zu einem aberwitzig absurden und extrem brutalen Polizeieinsatz. Ich war dort der einzige Journalist, weil ich der einzige bin, der gewusst hat, dass das dort stattfindet. Da wollten sechs Polizisten 500 Leute daran hindern, das Stadion zu besetzen. Im Anschluss dieses Polizeieinsatzes haben sie festgestellt, dass ich dort gewesen bin, und mich dann einfach als einzigen der 500 Leute verhaftet. Und bei dieser Verhaftung ging’s entsprechend ruppig zu, ich wurde einmal mehr verprügelt von Polizisten. 2008 war ich etwa 55, und da werde ich also als 55-jähriger Fotograf zum 20., zum 15. oder 25. Mal, so genau weiß ich das auch nicht, von Züricher Polizisten, von zwei 30-jährigen, bei meiner Arbeit, beim Fotografieren zusammengeschlagen. Ich habe dann Klage eingereicht gegen die Polizei, und die Beweislage war extrem gut. In der Schweiz muss jedoch ein Gericht über Klagen gegen Polizisten einen Anfangsverdacht bestätigen und diese bewilligen. So war’s bei mir auch mit der Klage. Gegen mich ist sofort ein Verfahren eröffnet worden wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, ich wurde nach Jahren zweimal verurteilt und vom höchsten Gericht natürlich freigesprochen. Und das höchste Schweizer Gericht hat daraufhin die Staatsanwaltschaft Zürich angewiesen, also Befehl erteilt, Klage gegen zwei Polizisten zu erheben. Die haben sich damit jetzt sehr viel Zeit gelassen, bis wir wieder eine Klage gegen die Staatsanwaltschaft eingereicht haben.13
Also ich kämpfe immer noch mit diesen alten Geschichten, aber was mich nicht umbringt, macht mich stärker. Jedenfalls hatte ich 2008 die Nase definitiv voll und dachte auch, okay, 55 oder 50 Jahre Schweiz sind genug, geh’ ich mal nach Ungarn.
Kaum in Budapest angekommen – einige Freunde hab’ ich natürlich schon gehabt, weil ich ja regelmäßig dort zu Besuch gewesen bin – hab’ ich ein Telefon gekriegt von einem meiner Freunde und er hat gesagt, „Du, morgen findet eine Sitzung statt, wir wollen ’ne große Antifa-Demo organisieren, du hast doch Erfahrung aus der Schweiz, kommst du auch?“ Natürlich bin ich hingegangen.
Jedenfalls wurde ich dort in antifaschistischen Gruppen aktiv, war bei der Organisation der ersten großen Antifa-Demo in Budapest sehr aktiv beteiligt und bei anderen Aktionen auch dabei. Und da fiel mir bei der Vorbereitung der ersten Demo schon auf, dass die zweite Sitzung, weil wir zu viele gewesen sind, um das in einer Wohnung eines Freundes zu machen, im Gemeindehaus der Israelitischen Gemeinde stattgefunden hat. Und das fand ich äußerst bemerkenswert, da ich ja in 40 Jahren politischer Aktivität noch nie in der Israelitischen Kultusgemeinde in Zürich irgendeine Sitzung hatte. Dann hab’ ich einen neben mir Sitzenden gefragt, „Kommt das hier ab und zu vor, dass ihr Sitzungen macht in der Israelitischen Gemeinde?“ Sagt er mir, „Ja, warum nicht, eigentlich sind wir hier alle Juden.“ Und das hat sich unter anderem auch gezeigt, als es um einen Termin für die Demo ging, der Vorschlag war Sonntag der So-und-so-vielte, und ich hab’ darum gesagt, das muss ein Irrtum sein, das wär Samstag der So-und-so-vielte. Da sagen die, „wieso Samstag?“, da sag ich, „ja, wieso Sonntag“? – „Wir können ja nicht am Samstag ’ne Demo machen, weil wenn wir am Samstag ’ne Demo machen, kommen viele jüdische Genossinnen und Genossen nicht.“ Das ist etwas, was ich in 50 Jahren in Zürich nie gehört habe, dass man eine Demo festlegt auf den Sonntag und nicht am Samstag, damit Juden auf die Demo kommen können.
Das hat mich schon sehr überrascht. Seither weiß ich jedenfalls, dass es in Ungarn weder ein Geheimnis ist, dass man offen darüber spricht, und dass halt die aktivsten Intellektuellen, Kulturschaffenden und so weiter mehrheitlich tatsächlich jüdisch sind, und das ist für mich eine völlig neue Erfahrung und ich beweg’ mich seitdem in jüdischen Kreisen, was ich in der Schweiz bewusst zumindest nie tat. Aber es ist klar, es ist etwas völlig anderes, also in Budapest gibt es zwei Stadtviertel, die als jüdische Viertel gelten. Das eine ist das Wohnviertel, das andere ist, wo die große Synagoge ist, und dort findet das jüdische Leben statt. Und das jüdische Leben besteht nicht hauptsächlich aus Beten und Gottesdiensten, sondern es besteht vor allem aus kulturellen Veranstaltungen. Es gibt zum Beispiel jeden November ein großes Fest, da geht es um kulinarische Genüsse in der jüdischen Küche, da kriegt man auf einem Riesengelände die verschiedenen Speisen zu essen und kann zuschauen, wie die zubereitet werden. Es ist eine typisch jüdische Küche nachgebaut, und dort wird den Leuten erklärt, wie man koscheres Essen zubereitet. Die Gegend ist voll mit koscheren Restaurants, mit Biergärten, die ganze Budapester Jugend inklusive den Studentinnen und Studenten halten sich in dem Viertel auf, es ist ein intensives, integriertes jüdisches Leben, das ich aus der Schweiz überhaupt nicht gekannt habe. Chanukka wird da gefeiert, auf ganz vielen verschiedenen Plätzen. Vor dem Hauptbahnhof ein riesengroßer Chanukka-Leuchter, dem mit einem Kran die Kerzen angezündet werden. Das hört sich alles sehr merkwürdig an, weil man andere Geschichten hört aus Ungarn, aber das ist, was ich in Ungarn selber erlebe, und das sind die aktivsten Leute, mit denen ich jetzt auch politisch zusammenarbeite, unter anderem in der Gruppe Ungarn gegen Nazis.
Für mich eröffnete sich in Budapest ein völlig neues Bewusstsein, nämlich, dass ich mich eigentlich zum ersten Mal als Jude fühle, obwohl ich mit Religion nach wie vor nichts am Hut habe. Aber die jüdische Kultur ist in Ungarn eben allgegenwärtig, genauso wie auch die Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg allgegenwärtig sind. Und da muss ich unbedingt dazu sagen: Wenn man in der Schweiz aufwächst, dann findet der Zweite Weltkrieg mit all seinen Folgen und Auswirkungen gar nicht statt, weil der ja in der Schweiz nicht stattgefunden hat. In Deutschland ist das was anderes und in Ungarn ist das was anderes. In Ungarn hab’ ich zum ersten Mal bemerkt, dass der Zweite Weltkrieg allgegenwärtig ist. Es gibt ja keine Familie, die nicht Opfer wäre des Zweiten Weltkrieges, die nicht Angehörige hätten, die sie verloren hat und zwar unabhängig davon, ob die Angehörigen Täter oder Opfer gewesen sind damals. Auf jeden Fall gibt es keine Familie, die nicht betroffen wäre. Und das ist ein völlig anderes Bewusstsein als in der Schweiz. In der Schweiz war ich völlig allein stehend mit der Familiengeschichte und in Ungarn ist das nicht so. Die Mehrheit der Leute, mit denen ich zu tun habe, hat ’ne ähnliche Familiengeschichte, ebenfalls mit Großeltern oder Eltern, die im KZ ums Leben gekommen oder im KZ gewesen sind. Und es wird überall immer daran erinnert. Also, das zu meiner politischen Tätigkeit in Ungarn, also kulturpolitisch, Antifa, eigentlich dasselbe, was ich in der Schweiz auch gemacht habe und jetzt auch wieder mache oder wieder vermehrt mache. Da möchte ich den Infoladen in Zürich erwähnen, also Infoladen Kasama, von dem ich bereits sprach. Erst nach dem dortigen Konflikt um antiimperialistische Politikformen wurde mir bewusst, mit wie vielen Leuten ich jahrelang zusammengearbeitet habe, ohne zu wissen, dass es bei denen auch einen jüdischen Hintergrund gibt, weil das nie ein Thema gewesen ist, weil da niemand irgendetwas provozieren wollte, also man das genauso versteckt in der Schweiz, wie man das versteckt hat im realexistierenden Sozialismus, wie man das versteckt hat und heute noch versteckt in verschiedenen Ländern, wo Antisemitismus vorherrscht. Seither, muss ich aber sagen, läuft diese politische Arbeit sehr gut, auch in Zürich wieder, auch im Infoladen. Also diese Auseinandersetzung gegeneinander findet eigentlich nicht mehr statt. Jetzt gerade war ich sechs Wochen in Zürich und da habe ich auch wieder mit der Hausbesetzer-Szene Kontakt gehabt. Ich unterstütze die Hausbesetzer-Szene mit der Organisation von Kultur-Veranstaltungen mit jungen Leuten zusammen. In Zürich hat man eine lebendige Hausbesetzer-Szene nach wie vor. Und bei der Menschenrechtsgruppe Augen auf bin ich Gründungsmitglied gewesen, lange Jahre deren Pressesprecher, heute noch Mitglied. Augen auf wurde gegründet als Antirepressionsgruppe, ist heute vor allem zur Unterstützung von Flüchtlingen in der Schweiz tätig und aktiv.
Vorabdruck mit freundlicher Genehmigung der Verlags aus:
Johannes Spohr: Verheerende Bilanz. Der Antisemitismus der Linken. Klaus Rózsa und Wolfgang Seibert zwischen Abkehr, kritischer Distanz und Aktivismus. Neofelis, Berlin 2017, 100 Seiten, 10 Euro.
1 Einrichtung für sogenannte Displaced Persons (DP) nach Endes des Zweiten Weltkrieges. Die aus ganz Europa nach Deutschland verschleppten KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter_innen erhielten von den Alliierten den Rechtsstatus ‚Displaced Persons‘.
2 CNT: Confederación Nacional del Trabajo, eine Vereinigung anarcho-syndikalistischer Kleingewerkschaften Spaniens.
3 Es geht um Fritz Bauer. Wolfgang ergänzt später: „ich habe Onkel zu ihm gesagt, wobei ich bis heute nicht weiß, ober er ein echter Onkel oder ein sogenannter ‚Nennonkel‘ war. Auf jeden Fall war er ab und zu bei uns zuhause.“
5 Sozialistischer Deutscher Studentenbund, politischer Verband Studierender in Westdeutschland und Westberlin. Zunächst der SPD nahestehende studentische Organisation, in den 1960er Jahren dann Bruch mit der SPD (‚Unvereinbarkeitsbeschluss‘) und zentrale Rolle innerhalb der Studierendenproteste. Mitgliedschaft von Rudi Dutschke, Bernd Rabehl, Ulrike Meinhof etc.
7 DKP: Deutsche Kommunistische Partei, Gründung 1968, Nachfolgepartei der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), die 1956 verboten wurde. Enge Zusammenarbeit mit der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED).
8 Aufstand von Teilen der ungarischen Bevölkerung gegen die Regierung der Kommunistischen Partei und die sowjetische Besatzung. In der Folge wurde die Regierung neu gebildet, jene verließ die Warschauer Vertragsorganisation (WVO), woraufhin die Rote Armee in Ungarn einmarschierte und eine pro-sowjetische Regierung installierte. Während der Kämpfe starben ungefähr 3.000 Personen, 200.000 Menschen flohen aus Ungarn in den Westen.
10 Teils militante Auseinandersetzungen um das besetzte Zentrum Rote Flora im Hamburger Schanzenviertel 2013.
11 Gemeint sind Proteste und Kämpfe von Geflüchteten für ein dauerhaftes Bleiberecht in Hamburg ab 2013.
13 Mittlerweile wurden die beiden Polizisten freigesprochen. Ein Weiterzug in eine höhere Instanz war für Klaus als Nebenkläger nicht möglich. Die gesamten Anwalts- und Verfahrenskosten musste er selbst übernehmen, da es offiziell keine Täter gibt. Eine Klage auf Schadensersatz erscheint ihm unter diesen Umständen als aussichtslos.