In einem Kiez-Gesundheits-Zentrum wollen Berliner Kollektivist_innen die Gesundheitsversorgung politisieren
veröffentlicht in analyse & kritik. Zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 617 / 21.6.2016
Eine sehr lebendige Auftaktveranstaltung zur Idee eines geplanten Kiez-Gesundheits-Zentrums hat das Gesundheitskollektiv Berlin am 26. April 2016 erlebt. Etwa 150 Menschen waren der Einladung der Gruppe in das Jugendzentrum Manege im Berliner Stadtteil Neukölln gefolgt. Als Einstieg in ihre Öffentlichkeitsarbeit für das Projekt hatten die Kollektivist_innen das Motto »Recht auf Stadt, Recht auf Gesundheit« gewählt und damit direkt auf den gesellschaftspolitischen Zusammenhang verwiesen, in dem sie die Idee des Zentrums ansiedeln: Bei Gesundheit handelt es sich um mehr als medizinische Versorgung – entscheidend sind die gesellschaftlichen Bedingungen, in denen wir leben, politische und soziale Faktoren wie Mietsteigerungen, geringes Einkommen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Rassismus und Alltagsarmut.
Für das Kollektiv ist die Gründung eines Kiez-Gesundheits-Zentrums insofern ein konkreter Schritt, um gemeinsam mit den Menschen im Stadtteil für ein gutes Leben einzutreten und so die Voraussetzungen für Gesundheit für alle zu schaffen. Nun sollten die Chancen für ein solches Zentrum ausgelotet werden. Der Diskussion mit dem Publikum waren mehrere Kurzvorträge vorangestellt, die verschiedene Aspekte des Zusammenhangs zwischen Stadtentwicklung und Gesundheit beleuchteten.
Da es derzeit sehr wahrscheinlich ist, dass das Kiez-Gesundheits-Zentrum auf dem Gelände einer ehemaligen Brauerei in Berlin-Neukölln angesiedelt sein wird, gab Stadtsoziologe Henrik Lebuhn einleitend eine kurze Analyse zur Entwicklung des Stadtteils im Hinblick auf soziale Faktoren von Gesundheit.
Mieten essen Leben auf
Gesundheit, findet Lebuhn, muss immer auch im Kontext finanzieller Benachteiligung betrachtet werden. Im Gesundheitssystem wird strukturell wenig Rücksicht auf benachteiligte Gruppen und deren besondere Bedürfnisse genommen. Der sozioökonomische Status hat großen Einfluss auf Gesundheit: »Menschen mit geringem Einkommen, niedriger Bildung oder Berufen, in denen schlechte Arbeitsbedingungen herrschen, haben in Deutschland auch heute noch eine geringere Lebenserwartung als sozial bessergestellte Bevölkerungsgruppen«, heißt es in der Robert Koch Studie 2015. Schließlich hängt der Gesundheitszustand auch davon ab, wo Menschen leben und arbeiten. Auf Stadtebene spielen hier beispielsweise Faktoren wie die Feinstaubbelastung durch Verkehr, der schlechte bauliche Zustand der Wohnungen und fehlende Grünflächen eine Rolle.
Zur Situation im nördlichen Berlin-Neukölln lässt sich aktuell aus der Perspektive von Stadtentwicklung und besonders im Hinblick auf Gentrifizierung sagen: Hier leben überdurchschnittlich viele arme Menschen in einem Gebiet mit überdurchschnittlich hohen Ertragserwartungen der Immobilienwirtschaft und einer verschwindend geringen Anzahl bezahlbarer Wohnungsangebote – der Verdrängungsdruck ist enorm. Die sogenannte Wohnversorgungsquote sinkt: 167.000 Haushalte in Neukölln haben nur 162.000 Wohnungen zur Verfügung. Ein Zeichen für Überbelegung: Viele Menschen versuchen trotz steigender Mieten und wachsender Personenzahl im Haushalt ihre Wohnung zu halten. Lebuhn nennt es »immobilienwirtschaftlich ausgelöste Immobilität«. Die steigenden Wohnkosten werden dann durch mehr Arbeit, Einsparungen in anderen Lebensbereichen oder Untervermietungen kompensiert: »In der Stadtforschung sprechen wir in einem solchen Zusammenhang von einer Verdrängung aus dem Lebensstandard.«
Dass sich Gentrifizierungsprozesse aktiv benachteiligend auf die Gesundheit auswirken, scheint viel zu wenig beachtet. Verdrängungsdruck und mangelnder günstiger Wohnraum – wo soll ich eigentlich noch hinziehen? – führen zu Überbelegung der Wohnungen und einer Überlastung der lokalen Infrastruktur. Relative Armut, also soziale Ungleichheit, macht krank. Dazu gehört auch, dass Benachteiligung, Diskriminierung und Entwürdigung im Alltag besonders stark erfahren werden und sichtbar sind. In Gentrifizierungsvierteln leben per Definition sozio-ökonomisch benachteiligte Gruppen, die besondere Anforderungen an das Gesundheitssystem stellen; zum Beispiel ältere Menschen mit Migrationshintergrund. Viele Einzelfälle zeigen außerdem, dass Stress mit den Vermieter_innen und Angst vor einer Räumung ernsthafte gesundheitliche Folgen haben können: »Mieten essen Leben auf« ist für einen Teil der Bevölkerung in Berlin-Neukölln schlichtweg Realität. Gentrifizierung führt somit zu Angst, Verunsicherung und Planungsunsicherheit: wichtige Faktoren für psychosomatische Erkrankungen. Sie wirkt sich aber auch ganz materiell auf die Gesundheit aus, wenn Menschen sich mehr um ihre unmittelbare Existenz sorgen müssen und Gesundheit hintenansteht.
Insofern kommen nachbarschaftlichen Einrichtungen eine wichtige Funktion in Gentrifizierungsprozessen zu. Gerade weil mit steigenden Mieten oft Überbelegungen und hohe Wohnkosten verbunden sind, erhalten die Gewerbeeinrichtungen, soziale Angebote und öffentlichen Räume eine neue Bedeutung. Mit wenig Geld und überbelegten Wohnungen brauchen die benachteiligten Menschen Läden mit günstigen Preisen, Unterstützungsangebote und unkommerzielle Erholungsmöglichkeiten noch stärker als zuvor. Werden diese Kompensationsmöglichkeiten auch gentrifiziert (durch steigende Preise in Cafés beispielsweise), verstärkt das den Verdrängungsdruck. Ein Gesundheitszentrum, dass auch soziale und kulturelle Dimensionen der unteren sozialen Gruppen in der Nachbarschaft mit aufgreift, könnte eine entlastende und unterstützende Wirkung für die Betroffenen der Verdrängung haben.
Gesundheitsversorgung anders und vor allem auch politisch zu denken und zu leisten und dies auf Stadtteilebene herunterzubrechen, ist möglich, so Lebuhn. Dafür muss jedoch die Gesundheitsversorgung selbst politisiert werden, wie es beispielsweise in den Solidarischen Kliniken in Athen/Griechenland geschehen ist. Weiterhin müssen die beiden Felder zusammengeführt werden, die meist getrennt diskutiert werden – Mietenpolitik und Gesundheit. Dies sollte gemeinsam mit anderen lokalen Gruppen geschehen. Viel zu häufig werden lokale Initiativen nicht als Kooperationspartner ernst genommen.
Gesundheit als politisches Kampffeld
Wie also kann das Kiez-Gesundheits-Zentrum im stadtpolitischen Kontext ein Ort von Intervention werden? Wie lässt sich in dem Zusammenhang der Begriff Gesundheit politisch einordnen?
Diesen Aspekt vertiefte Nadja Rakowitz, Geschäftsführerin vom Verein der Demokratischen Ärztinnen und Ärzte. Historisch und aktuell gilt: Gesundheit hat zum Ziel, die Ware Arbeitskraft zu erhalten, Zweck des Gesundheitssystems ist das Gesundhalten der Lohnarbeiter_innen für die Kapitalvermehrung – das gilt auch für die potenziellen Lohnarbeiter_innen, wenn man beachtet, dass in etlichen Ländern auch arbeitslose Menschen im Rahmen des Gesundheitssystems versorgt werden. Aber dieser Zusammenhang wird in kapitalistischen Krisenzeiten schnell aufkündbar: Wer in Griechenland während der Zeit der Memoranden arbeitslos wurde, hat seitdem auch keinen Zugang mehr zum Gesundheitswesen.
Die Logik dahinter, so Rakowitz, ist klar: Die Gesellschaft braucht keine Menschen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, also brauchen diese auch nicht mehr versorgt zu werden. Über diese Grundannahme hinaus gibt es andere und konkrete Beispiele für das kapitalistische Interesse im Bereich Gesundheit: Elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Deutschland gehen in das Gesundheitswesen, das sind etwa 320 Milliarden Euro. Dahinter, so Rakowitz, stehen verschiedene Interessen verschiedener Leistungserbringer_innen: von profitorientierten Ärzt_innen, der Pharmaindustrie und der Geräteindustrie. Diesbezügliche Studien zeigen, wie weit diese Interessen gehen: Über Marketing wird versucht, Krankheiten zu erfinden, um neue Geschäftsfelder zu erschließen.
Vor diesem Hintergrund muss dann die derzeitige Situation des Gesundheitswesens betrachtet werden: die Trennung von ambulantem und stationärem Sektor, ein bestehender Mangel an Kommunikation zwischen den Sektoren, die Doppelungen von Untersuchungen und Leistungen. Aus all dem folgen große Lücken für die Patient_innen, zum Beispiel, wenn diese zu früh aus dem Krankenhaus kommen und keine Versorgung erhalten, die ihrem Zustand entspricht. Was fehlt, sind eine sinnvolle Gesundheitsplanung und Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe.
Um zu verdeutlichen, wie das Gesundheitssystem zu diesem Spielfeld kapitalistischer Interessen geworden ist, charakterisiert Rakowitz dessen momentane Beschaffenheit anhand von drei Gesichtspunkten: Noch gelte die Logik der Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung – für alle. die gesetzlich versichert sind. Man zahlt nach dem Einkommen und bekommt im Prinzip, was man braucht – mit Einschränkungen. Dieses Prinzip der gleichen Versorgung für alle muss, so Rakowitz, auch im Hinblick auf eine Idee wie das geplante Gesundheitszentrum beibehalten werden: Alle bekommen systematisch die gleiche Versorgung. Parallel dazu entwickelt sich im Gesundheitssystem eine Dynamik, die diese Versorgung enorm einschränkt: Privatisierung und Ökonomisierung verwandeln Krankenhäuser derzeit in atemberaubender Geschwindigkeit zu Orten, in denen maximal profitorientiert zu Lasten der Patientenversorgung und zu Lasten der Arbeitsrechte der Mitarbeiter_innen gewirtschaftet wird – Krankenhausmitarbeiter_innen wissen somit am besten, was es bedeutet, in einem ökonomisierten Gesundheitssystem zu arbeiten.
Zum Dritten ist das Gesundheitssystem von einem kurativen Ansatz geprägt – es wird gewartet, bis jemand krank ist, und dann wird der Mensch versorgt. Ansätze, die präventiv vorgehen, gibt es viel zu wenige. Ein Großteil der zentralen Probleme ambulanter Versorgungsstrukturen rühren von Vereinbarungen her, die bereits Anfang der 1950er Jahre festgeschrieben wurden.
Erstens wurde die Sektorengrenze zwischen ambulanter und stationärer Versorgung festgelegt, weil die niedergelassenen Ärzt_innen sich von den Krankenhäusern nicht das Geschäft im ambulanten Sektor vermiesen lassen wollten. Zweitens wurde damals beschlossen, dass Ärzt_innen im ambulanten Sektor nicht angestellt arbeiten dürfen; sie sollten als Kleinunternehmer_innen einen spezifischen Status gegenüber der Krankenkasse haben.
Drittens wurde dafür gesorgt, dass es die komplette Facharztbreite, die in anderen Ländern im Krankenhaus zu finden ist, auch noch einmal im niedergelassenen Sektor gibt. Dazu kommt die Kopplung von medizinischen Entscheidungen an die Einkommenssituation des Arztes: Mache ich etwas, bekomme ich mehr Geld, mache ich nichts, bekomme ich nichts oder verliere etwas. Anstatt die Kopplung von Leistung und Geld aufzulösen, um Einkommen und medizinische Entscheidung so weit wie möglich auseinanderzuhalten, geht die Entwicklung in die gegensätzliche Richtung: Auch im Krankenhaus werden zunehmend Verträge eingeführt, die das beinhalten. Das führt dazu, dass Ärzt_innen kein Interesse an Verhältnisprävention haben, denn nicht der Rat zur Vorsorge zahlt sich für sie aus, sondern einzig die Behandlung.
Da all dies aber auch spürbar den Druck verstärkt, arbeiten mittlerweile 40 Prozent der niedergelassenen Ärzt_innen in kooperativen Strukturen. Medizinische Versorgungszentren (MVZ) bieten die Möglichkeit, sich anstellen zu lassen – von 150.000 niedergelassenen Ärzt_innen arbeiten 30.000 angestellt. Vor allem viele junge Ärzt_innen, so Rakowitz, wollen den ärztlichen Unternehmerinnenstatus nicht mehr. Diese Entwicklung spiegelt sich auch im Ansatz des Gesundheitskollektivs wider: Um eine lukrative Einkommensquelle geht es hier ganz sicher nicht.
Kirsten Schubert vom Gesundheitskollektiv ließ daraufhin kurz die ausschlaggebenden Momente der Kollektivbildung Revue passieren. Im Gesundheitskollektiv Berlin sind über 20 Menschen aktiv – mit beruflichen Hintergründen in Sozialarbeit, Pflege, Medizin, Gesundheitswissenschaften, Pädagogik, Psychotherapie und Recht. Sie sind Teil eines städteübergreifenden Netzwerks, das seine Anfänge vor einigen Jahren im Hamburger Medibüro hatte. Diskussionen über den systematischen Ausschluss von Menschen ohne Papiere und Migrant_innen ohne Krankenversicherung aus der regulären Gesundheitsversorgung gaben den Anstoß dazu, Gesundheitssysteme anders zu denken und konkrete Ideen für alternative Modellprojekte zu entwickeln.
Vor diesem Hintergrund ist vor etwa zwei Jahren die Gruppe in Berlin entstanden. In Hamburg wird aktuell im Stadtteil Veddel ein ähnliches Projekt aufgebaut. Das Rad einer alternativen Gesundheitsversorgung, so Schubert, wolle und müsse für beide Projekte nicht neu erfunden werden – vielmehr sollen bestehende Konzepte unmittelbar einbezogen werden. Wie das möglich sei, haben Reisen und Besuche gezeigt, die sie und einige ihrer Mitstreiter_innen unternommen haben, um sich zu vernetzen und auszutauschen – zum Beispiel mit dem sozial-medizinischen Zentrum im österreichischen Graz, einem der Gesundheitszentren der Doctors for the People in Belgien und einigen der solidarischen Kliniken in Griechenland.
Die Community Health Centers (CHC) in Kanada betrachtet Schubert derzeit als besonders beeindruckende Umsetzung der Utopie einer alternativen Gesundheitsversorgung. Hier sei der Anspruch an soziale Gerechtigkeit, Antirassismus und Stadtteilorientierung besonders explizit. Vor allem zahlenmäßig sei die Umsetzung beeindruckend; bereits über 800 solcher CHC gibt es in Kanada. Allen der genannten Zentren gemeinsam ist die Orientierung am Bedarf und der Teilhabe der Patient_innen, Klient_innen und Anwohner_innen und das Konzept der Verhältnisprävention: Die gesellschaftlichen Verhältnisse müssen so gestaltet werden, dass sie Krankheit verhindern und psychisches, soziales und physisches Wohlergehen – also Gesundheit – ermöglichen.
Woher kommt die Atemnot?
Mitkollektivist Felix Hartung stellte das konkrete Konzept für ein Kiez-Gesundheits-Zentrum vor. Seine Eltern wunderten sich, warum ihr Sohn, der doch gar keine medizinische Ausbildung habe, ein Gesundheitszentrum mitplane. Er habe dann die Idee folgendermaßen erklärt: »Ein Patient kommt mit Atemproblemen in das Kiez-Gesundheits-Zentrum. Im Einzelgespräch mit der Ärztin wird deutlich, dass die Atemnot vom Schimmel in der Wohnung kommt. Es droht eine teure Sanierung, die allein der Mieter zahlen soll, und möglicherweise eine Zwangsräumung. Die Angst um den Verlust der Wohnung führt bei ihm also zusätzlich zu psychischen Stress.« Atemnot lässt sich möglicherweise mit einer ausschließlich primärmedizinischen Versorgung nicht beseitigen, solange sich an den Ursachen nichts ändert. Hier setze das Konzept des Kiez-Gesundheits-Zentrums an. Es stützt sich im wesentlichen auf vier Säulen:
Die erste Säule, Primärmedizinische Versorgung und Pflege, soll in einem dezentralen Ansatz gehandhabt werden: mit häufigen Hausbesuchen, einer intensiven Zusammenarbeit mit ambulanten Pflegediensten, pflegenden Angehörigen und anderen Versorgungsstrukturen im Stadtteil. Ziel ist eine nachhaltige Begleitung der Patient_innen, im besten Fall mit einer multiprofessionellen Fallberatung. Generell soll gelten: Pflegekräfte und Ärzt_innen, aber auch Pädagog_innen, Psycholog_innen, Sozialarbeiter_innen, Therapeut_innen und andere Berufsgruppen sowie die Patient_innen selbst arbeiten Hand in Hand. So kann beispielsweise eine Rechtsberatung und ein_e Sozialarbeiter_in hinzugezogen werden, wenn es um Fälle wie die der Mieterhöhung und des Schimmelbefalls gehen sollte. Hier findet sich der Bezug zur zweiten Säule, Beratung und Selbsthilfe. Ein umfangreiches Beratungsangebot soll im Kiez-Gesundheits-Zentrum Unterstützung in sozialen, rechtlichen und psychologischen Fragen bieten.
Die Besucher_innen sollen befähigt werden, sich für ihre Interessen einzusetzen und dadurch Selbstwirksamkeit als gesundheitsfördernden Moment zu erfahren. Die dritte Säule betrifft die politische Gemeinwesenarbeit. Gemeinsam mit den Anwohner_innen sollen Gesundheitsrisiken im Stadtteil reduziert und gesundheitsförderliche Verhältnisse geschaffen werden und solidarische Strukturen als Gegengewicht zu krankmachenden Faktoren entstehen. So könnte das Kiez-Gesundheits-Zentrum zu einem Ort im Stadtteil werden, in dem Menschen sich austauschen, vernetzen oder sich schlichtweg einfach aufhalten oder andere Angebote nutzen können. Mit der letzten Säule, Partizipative Forschung und Evaluation, soll versucht werden, eigene Forschungsprojekte auf lokaler Ebene – partizipativ mit den Anwohner_innen – im Kiez zu entwickeln und einzubinden, auch um das Konzept zu begleiten, zu evaluieren und vorstellen zu können.
Das Konzept basiert, so fasst es Hartung zusammen, auf dem Bedarf, den Ressourcen, den Kompetenzen und Erfahrungen der Anwohner_innen und Mitarbeiter_innen. Deren Partizipation soll möglichst auf allen Ebenen etabliert werden. Wichtig sei dem Kollektiv, die zentrale Rolle von Ärzt_innen beim Blick auf Gesundheit und Krankheit aufzubrechen und die im Gesundheitssystem vorherrschenden starken Hierarchien zwischen den einzelnen Berufsgruppen zu verändern, zum Beispiel, indem ein Bedarfslohn für alle Angestellte_n eingerichtet wird.
Zuletzt soll sich der alternative Ansatz auch in der Gestaltung widerspiegeln: In vielen Gesundheitseinrichtungen werden gerade die Menschen mit dem höchsten Bedarf systematisch ausgeschlossen, indem Sprache, Fachbegriffe oder die räumlichen Voraussetzungen ihnen die Teilhabe erschweren. Im Kiez-Gesundheits-Zentrum soll schon beim Hereinkommen deutlich werden, dass es sich hier um einen zugänglichen Ort handelt.
Kirsten Schubert und ihre Mitstreiter_innen sind optimistisch: »Wir hoffen, dass uns unsere Verankerung in verschiedene linke Gruppen und ein intensiver Austausch mit den Initiativen im Stadtteil dabei helfen, nicht den Boden unten den Füßen zu verlieren oder zur Insel im Kiez zu werden.«
Claudia Krieg lebt und schreibt in Berlin.
Das Konzept des Kiez-Gesundheits-Zentrums
wird zur Zeit wird mit finanzieller Unterstützung der Robert-Bosch-Stiftung weiterentwickelt. Als konkreter Ort für das Zentrum ist ein Neubau auf dem Gelände der ehemaligen Kindl-Brauerei im Norden des Berliner Stadtteils Neukölln im Gespräch. Das Gelände wurde von der Edith-Maryon-Stiftung mit dem Ziel erworben, es langfristig für soziale, kreative und ökologische Nutzungen zu sichern.
Informationen und Kontakt zum Gesundheitskollektiv → www.geko-berlin.de
Kanadas Community Health Centers → www.cachc.ca
Sozial-medizinisches Zentrum Graz → smz.at