in Analyse & Kritik vom September 2017:
Das Ausmaß vieler NS-Verbrechen, die in den von den Deutschen besetzten Teilen Europas verübt wurden, ist bis heute kaum bekannt. Dazu zählt der im Rahmen der Bekämpfung tatsächlicher oder vermeintlicher Partisan_innen ausgeübte Terror gegen die Bevölkerung. Der Sammelband »Repressalien und Terror« vereinigt Fälle dieser »Repressalienpolitik, die in einigen Ländern genozidale Formen annahmen«, und stellt ihre Kontexte und Folgen zur Diskussion. Anhand zahlreicher Beispiele zu Rechtsgrundlagen und Legitimationsstrategien, Fällen von »Vergeltungsaktionen«, Besatzungsverbrechen in der Endphase des Krieges sowie »Vergeltung« im Gebiet des Deutschen Reichs wird veranschaulicht, wie unterschiedlich NS-Herrschaft sich durch lokale Dynamiken ausprägte. Christel Trouvé widmet sich der familiären Weitergabe von Erinnerungen an die Razzia im französischen Murat; dazu hat sie Nachfahren der 119 von dort Deportierten interviewt. Zu wünschen wären Folgeprojekten stärkere Bezüge aufeinander für die hier fokussierte »transnational vergleichende Perspektive« sowie eine im Vorwort aufgegriffene gemeinsame Forcierung der Frage von Entschädigungen. Die deutlichen Unterschiede und Lücken der Vergegenwärtigung der behandelten Verbrechen werfen die Frage auf, welche Voraussetzungen es sind, durch die Oradour und Lidice zu ansatzweise bekannten Ortsnamen wurden, während vom ukrainischen Korjukivka kaum jemand in Deutschland je gehört hat.
Oliver von Wrochem (Hg.): Repressalien und Terror. »Vergeltungsaktionen« im deutsch besetzten Europa 1939-1945. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2017. 271 Seiten, 24,90 EUR